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ERFAHRUNGSBERICHT EINER MUTTER in der Kinderklinik Gelsenkirchen
Lest hier einen weiteren Erfahrungsbericht einer Mutter, die mit ihrem Kind 2017 stationär in der Kinderklinik Gelsenkirchen behandelt wurde. Aus Anlass der Ausstrahlung des Films „Elternschule“ stellt sie ihn auf diesem Weg allen Interessierten zur Verfügung:
„Meine damals zweijährige Tochter Z. hat schon immer wenig gegessen und überwiegend Milch aus dem Fläschchen getrunken. Ich machte mir deshalb große Sorgen, ob mein Kind ausreichend versorgt war. Ärztliche Untersuchungen waren aber immer unauffällig. Sie war zeitgemäß entwickelt, hatte die Meilensteine gut erreicht und die Perzentilenkurve im Untersuchungsheft verlief auch im normalen Bereich. Trotzdem empfahl unser Kinderarzt aufgrund des Essverhaltens eine Behandlung in der Kinderklinik Gelsenkirchen. So wurden wir dort im Jahr 2017 vorstellig. Das war kurz vor dem dritten Geburtstag meiner Tochter.
Drei Wochen Aufenthalt waren geplant. Ich hatte erwartet, dass ausschließlich das Essverhalten therapiert wird. Trennungssituationen waren problemlos möglich, die Eingewöhnung in den Kindergarten hat z.B. nur einen Tag gedauert. Wichtig für meine Tochter war immer, dass die Bezugsperson nett zu ihr war. Dann war eine Trennung nie ein Problem. Z. war ein überwiegend ausgeglichenes und fröhliches Kind, sie hat viel gesungen und getanzt.
Bei der Aufnahmeuntersuchung wurde dann aber nicht nur eine Essstörung, sondern außerdem eine Regulationsstörung diagnostiziert. Deswegen musste meine Tochter neben dem Esstraining auch das Schlaf- und das Trennungstraining mitmachen, um die Regulationsstörung insgesamt zu behandeln. Es hieß zudem, dass man das Essverhalten nicht kontrollieren kann, wenn man den Schlaf nicht kontrolliert.
Die Aufnahme erfolgte am Montag. Das Esstraining begann am Tag darauf. Ein gemeinsames Essen mit meinem Kind zu diagnostischen oder Anamnesezwecken fand nicht statt. Ich erinnere mich auch nicht daran, dass das Essverhalten von uns Eltern bzw. in der Familie in irgendeiner Weise erfragt worden wäre. Unsere ganze Familie hat nämlich ein tendenziell problematisches Verhältnis zum Essen. Erst im Rahmen einer Therapie, die wir nach dem Aufenthalt in Gelsenkirchen benötigten und begannen, wurde auf diesen Aspekt eingegangen.
Während der Mahlzeiten durfte ich weder anwesend sein noch durch ein vorhandenes Guckfenster beim Esstraining zusehen. Diesen Wunsch hatte ich ausdrücklich geäußert, aber mir wurde gesagt, dass dies auf keinen Fall möglich sei. Ich durfte auch keine Fragen zum Verlauf des Ess- und Schlaftrainings stellen. Ich habe aber gehört, dass meine Tochter jedes Mal viel geschrien hat. Wenn sie lieb zu Z. gewesen wären, hätte sie meiner Einschätzung nach niemals so geweint.
Ich bekam noch nicht einmal Auskunft darüber, ob und wieviel meine Tochter gegessen bzw. geschlafen hatte. Ich durfte ihr auch nichts zu essen geben oder auch nur über Essen mit ihr sprechen. Während der begrenzten gemeinsamen Zeit weinte mein Kind bitterlich und flehte mich um Essen an. Ich sollte ihr Betteln ignorieren. Ich werfe mir manchmal immer noch vor, mich da nicht widersetzt zu haben. Herr Langer äußerte nach mehreren Tagen, dass Z. vier Tage lang nichts gegessen habe. Die Milch, die sie üblicherweise zu sich genommen hatte, war ihr nicht angeboten worden.
Das Trennungstraining in der Mäuseburg war auch ganz schlimm. Es herrschte dort eine beängstigende Stimmung. Lauter kleine, verzweifelte Kinder und dazwischen, so sah es für mich aus, nur teilnahmslos lächelndes und mit Spielzeug hantierendes Personal. Ich musste meine Tochter mehrmals täglich dort abgeben.
Während die Kinder in der Mäuseburg waren, waren wir Mütter unter uns oder hörten als Gruppe Vorträge. Die Vorträge waren sehr stark auf Neurodermitis ausgerichtet. Immer wieder wurde gesagt, dass Kinder ihr Umfeld mit dem Kratzen nur manipulieren wollten.
Eine andere Mutter, die ein Baby mit Neurodermitis hatte und gleichzeitig mit mir auf der Station war, wollte die Therapie abbrechen. Sie hat mir erzählt, man habe ihr gesagt, dass sie bei Therapieabbruch schuld daran sei, wenn ihr Kind weiterhin Kortison bräuchte. Außerdem seien die Nebenwirkungen des Medikaments bei so kleinen Kindern gravierend. Sie hat den Aufenthalt dann aber doch abgebrochen.
Die Atmosphäre auf der Station empfand ich als generell negativ den Kleinkindern gegenüber. Nicht nur seitens des Personals, auch unter den Müttern fiel mir auf, wie der Umgang mit ihren Kindern von Tag zu Tag härter wurde. In den Gruppentherapien übertrumpfte man sich gegenseitig damit, wie manipulativ das eigene Kind sei und wie gut man das jetzt aushalte und nichts mehr durchgehen lasse.
Bei der täglichen Arztvisite musste meine Tochter allein zum Arzt ins Zimmer, wobei sie bitterlich weinte.
Meine Tochter hat sich dort verändert. Bereits nach wenigen Tagen Klinikaufenthalt kam sie mir wie ein „Zombie" vor. Sie war total teilnahmslos. Trotzdem habe ich die Behandlung noch weiter zugelassen. Ich hatte solche Angst um sie, aber das Personal hat so geschickt geredet, dass ich dachte, es muss sein, um meinem Kind zu helfen. Ich habe ihnen vertraut.
Nach einer Woche habe ich den Aufenthalt schließlich abgebrochen. Ich habe es nicht länger ausgehalten. Herr Langer bezeichnete meine nicht mal dreijährige Tochter im Abschlussgespräch als "gerissenes Kind". Sie würde alle Therapeuten gegeneinander ausspielen.
In der Zeit direkt nach dem Aufenthalt hatte Z. plötzlich Angst vor Trennungssituationen, die vorher nicht aufgetreten waren, zum Beispiel im Kindergarten oder sogar auch bei ihrer ihr vertrauten Oma. Ich sehe da ganz klar eine Verbindung zu dieser Mäuseburg.
Ich muss sagen, meine Tochter und ich haben den Aufenthalt auch nach fast zwei Jahren noch nicht verarbeitet. Ich will mir gar nicht vorstellen, wie es uns gehen würde, wenn wir das Programm weiter durchgezogen hätten. Ich bin nach wie vor erschüttert, dass so eine Behandlung erlaubt ist.“
Dieser Bericht ist mit Genehmigung der Betreiber der fb-Seite: "Elternschule - Informationen rund um den Film und die gezeigte Klinik" und der betreffenden Eltern zur Veröffentlichung freigegeben.
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