Jeder Mensch wird mit dem Bedürfnis geboren, enge und intensive Beziehungen einzugehen, sich zu binden. Bezugspersonen bzw. Bindungspersonen sind in der Regel die Eltern bzw. die Personen, mit welchen das Kind den intensivsten Kontakt in seinen ersten Lebensmonaten hat. Im Säuglings- und Kleinkindalter dient die Bindung vornehmlich zur Befriedigung der überlebenswichtigen Bedürfnisse, da ein menschliches Neugeborenes ohne die Versorgung der Eltern nicht überleben kann. Hierzu zählen vor allem das Versorgen mit Nahrung, die Pflege und das Bieten von Geborgenheit und Sicherheit. Diese erste frühe Bindung ist jedoch auch maßgeblich für eine enge emotionale Beziehung zu den ersten Bezugspersonen. So entwickelt der Säugling eine besondere Beziehung zu seinen Eltern oder auch anderen in dieser Zeit bedeutsamen Bezugspersonen und ist damit auf der Suche nach der Befriedigung seines Bedürfnisses, sich aufs Tiefste in dieser speziellen Weise zu binden. Die Aufgabe der Eltern ist es, hier Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Bindung aufrechterhalten bleibt, indem sie dem Neugeborenen Schutz bei Gefahr – und sei sie auch nur vom Kind als solche erlebt – bieten.
Ein Kind bindet sich – weil es keine andere Wahl hat – an die Personen, die ihm vertraut sind, ganz unabhängig davon, wie gut oder schlecht diese seine Bedürfnisse tatsächlich befriedigen. Vernachlässigung oder Lieblosigkeit beispielsweise haben daher zwar keinen Einfluss auf das Bindungsbedürfnis und –verhalten des Kindes, wohl aber auf seine psychische und emotionale Entwicklung. In der Regel bindet sich ein Kind im Säuglingsalter an seine Eltern – die Bindungsbereitschaft (ggf. an andere Personen als die leiblichen Eltern) kann aber bis zum Kindergartenalter bestehen bleiben, je nachdem, wie viel Geborgenheit und Zuwendung das Kind bis zu diesem Alter erhalten bzw. noch nicht erhalten hat.
Frühe Mutter-Kind-Interaktion
Ein Säugling, das hat die Forschung der letzten dreißig Jahre ergeben, hat bereits viele Fähigkeiten. So kann er seine Hauptbezugssperson von anderen Menschen unterscheiden und mit ihr ganz besonders kommunizieren. Unmittelbar nach der Geburt kann das Neugeborene bereits die Stimme seiner Mutter von anderen Stimmen unterscheiden und schon sehr früh verschiedene Sinneseindrücke koordinieren. Es kann somit ein einheitliches Bild der Mutter erlangen, indem es eine Verbindung zwischen ihrer Stimme und ihrem Gesicht herstellt. Aber nicht nur die Wahrnehmungs-, sondern auch die Gefühlswelt eines Säuglings ist komplex. Die sogenannten Primäraffekte, die in allen Kulturen der Welt einheitlich angeboren sind und nicht gelernt werden müssen, können Säuglinge bereits mimisch zum Ausdruck bringen und dienen somit der Kommunikation mit ihren Bindungspersonen.
Interesse, Überraschung, Ekel, Freude, Ärger, Traurigkeit und Furcht sind die Empfindungen, die die Mutter im Gesicht ihres Kindes erkennen und somit feinfühlig auf dessen Vorlieben, Abneigungen und Grenzen reagieren kann. Feinfühligkeit meint, dass die Signale des Kindes von der Bezugsperson wahrgenommen und im Sinne des Kindes interpretiert und angemessen befriedigt werden. Die wechselseitige Kommunikation zwischen den Bezugspersonen und dem Säugling ist maßgeblich, denn sie hilft dem Kind, die eigenen Affekte zu regulieren. Durch verschiedene Faktoren (z.B. bei Kindern, die viel schreien und sich nur schlecht beruhigen lassen), kann es dazu kommen, dass diese frühe Interaktion (Affektregulierung) zwischen Mutter (Eltern) und Kind gestört wird. So geraten Eltern manchmal in eine Hilflosigkeit, die dazu führt, dass sie zeitweise nicht auf ihre eigene Intuition zurückgreifen können. Durch die dauerhafte Belastung und emotionale Überforderung kann dann in diesem Erschöpfungszustand ein Zusammenspiel von Frustration, Angst, Wut und Ohnmacht den Leidensdruck der Eltern noch erhöhen. Eine physische und psychische Entlastung der Mutter/des Vater durch eine weitere dritte Person kann die gestörte Interaktion entlasten und zum Gelingen der Kommunikation zwischen Säugling und Mutter/Vater beitragen.
Feinfühliges Verhalten führt zu Entwicklung einer sicheren Bindung zur Bindungsperson (entsprechend weniger feinfühliges Verhalten zu einer unsicheren Bindung). Diese Form von Kommunikation und Interaktion ist die Voraussetzung von Dialog und die Grundlage von Beziehung!
Hier findest du mehr zur Bindungs- und Beziehungsorientierte Pädagogik von Katia Saalfrank.
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