Geschwisterkinder - Wenn ein Geschwisterchen kommt!
Während das erste Kind in eine Paarbeziehung hineingeboren wird, kommt jedes weitere Kind in eine bereits bestehende Familie. Die gesamte Konstellation verändert sich mit Ankunft des Neugeborenen, alle Familienmitglieder müssen sich neu sortieren, Rollen müssen sich anders verteilen und neu finden. Die Geburt eines Geschwisterkindes ist deshalb nicht nur für die Eltern ein einschneidendes Erlebnis, sondern stellt auch für das erstgeborene Kind neben der Freude, die es empfindet, eine große Herausforderung dar. Neben der Notwendigkeit für das ältere Kind, eine neue Rolle finden zu müssen, ist diese Phase von schmerzhaften Verlustgefühlen geprägt. So stellt es mit einem Mal fest, dass ihm die elterliche Aufmerksamkeit, insbesondere die der Mutter, nicht mehr ungeteilt zukommt, was zu tiefer Verunsicherung führen kann. Es fühlt sich (zu Recht) von einem Moment auf den anderen nicht mehr im gewohnten Maße beachtet und deshalb womöglich weniger geliebt.
Die Angst, die Liebe der Eltern zu verlieren, wird von Kindern in diesen Moment als existenziell bedrohlich empfunden. Es ist aus diesen Gründen sehr nachvollziehbar, dass ältere Geschwister ambivalente, manchmal auch negative Gefühle gegenüber dem Neuankömmling entwickeln können und auch wütend auf den kleinen Menschen werden, der ihnen, wie sie glauben, die Mutter oder den Vater wegnehmen könnte. Diese Gefühlsausbrüche können sehr heftig sein, da sie ihre Gefühle noch nicht in Worte fassen können. Wenn sie selbst noch kleiner sind, kann sich ihre Eifersucht in Form von kleinen Tätlichkeiten gegen das Baby äußern: Sie kneifen, werfen mit Dingen nach ihm und schlagen vielleicht auch ganz explizit vor, das Baby lieber wieder „zurückzugeben“.
Ältere Kinder, die schon vertrauter sind mit den Verhaltenserwartungen des sozialen Umfelds, äußern ihre Eifersucht vermutlich nicht so explizit, selbst wenn sie sie bereits in Worte fassen könnten. Aber sehr wahrscheinlich haben auch sie entsprechende Gefühle und sind emotional verunsichert. Manche Kinder verändern dann ihr Essverhalten, manche werden in der Schule unaufmerksamer, manche zeigen kleine Aggressionen gegen ihre Eltern oder Geschwister.
Es ist wichtig, dass Eltern hier zum einen das Neugeborene unaufgeregt "schützen" und behüten und eventuell mit erhöhter Aufmerksamkeit die Gesamtsituation betreuen, andererseits aber auch Verständnis für die Gefühle der Erstgeborenen entwickeln und besonders liebevoll reagieren, in dem sie die Kinder auf den Schoß nehmen, auch sagen, dass sie das Hauen nicht wollen, ihnen aber vor allem sagen und zeigen, dass sie geliebt sind. Wenn Eltern mit schimpfen, Vorwürfen oder gar Strafen reagieren, verstärkt sich das Gefühl der Kinder, sie seien nicht geliebt, um ein Vielfaches, und das Verhalten der Eltern wird von ihnen als Bestätigung ihres Gefühls angesehen. Eltern erreichen somit das Gegenteil dessen, was sie eigentlich beabsichtigen. Problematisch wird die Situation dann, wenn sich beim Kind die grundsätzliche Überzeugung einstellt, dass es von seinen Eltern abgelehnt und mit seinen Bedürfnissen nicht gesehen und ernst genommen wird.
Manchmal möchte das „ältere“ Kind dann auch nochmal gefüttert oder gestreichelt werden, so wie das Baby. Oder mag sich nicht mehr selbständig anziehen, sondern möchte nochmal mehr die Unterstützung der Eltern. Das ist nachvollziehbar, dem dürfen Eltern nachgeben. Es signalisiert dem Kinde, wir lieben Dich genauso, wie das Baby.
Wesentlich ist insgesamt, dass Eltern die Gefühle der älteren Geschwister nicht bagatellisieren und die Signale ihrer Kinder beachten und ernst nehmen. Die „großen Geschwister“ brauchen gerade in den ersten Monaten, nachdem das Neugeborene dazugekommen ist, noch mehr Zuneigung, Wärme und Körperkontakt als sonst – und Eltern, die mit ihnen über die veränderte Konstellation in der Familie sprechen, damit sie die Sicherheit bekommen, dass sie immer noch in gleicher Weise geliebt und aufgehoben sind wie vor der Geburt des Bruders oder der Schwester.
Hier findest du mehr zur Bindungs- und Beziehungsorientierte Pädagogik von Katia Saalfrank.
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